|
e.V. |
||||
|
19.03.2016
Erfolgreiches 11. Geraer Symposium Ambulante ChirurgieZusammenfassung - Konservative vs. operative Therapie in Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie und die Situation der medizinischen Versorgung in Nepal nach der Naturkatastrophe waren die Themen des 11. GSAC, zu dem 96 Teilnehmer begrüßt werden konnten. Gemeinsamer Nenner der Vorträge aus den Vormittagssitzungen war der von den Referentinnen und Referenten übereinstimmend favorisierte Trend zur personalisierten Medizin.Lars Bischoff, Orthopädische Klinik Eisenberg, legte die Problematik der Rotatorenmanschettenruptur dar. Als Ursachen gelten u.a. Trauma, chronisches Impingement, repetitives Mikrotrauma und Degeneration. Sie äußert sich durch Schmerzen, Kraftverlust und Bewegungseinschränkung. Es gibt keine Selbstheilung. Die konservative Behandlung erfolgt durch NSAR, Injektionen, Physiotherapie. Die Erfolgsraten variieren in der Literatur von 33-92%. Die Progredienz der Ruptur wird konservativ nicht gestoppt. Die operative Therapie besteht in der Rekonstruktion der Rotatorenmanschette. Sie führt zur Verbesserung der Schulterfunktion und der Kraft. Sie erfordern eine langwierige Nachbehandlung. Die Re- Rupturrate läge bei 27% nach 2 Jahren. „Messer ist nicht immer besser“ war das Resümee des Referenten. Dr. Veronika Vollstädt, Orthopädin aus Auerbach berichtete über die aktuellen Therapieoptionen beim „Tennis- und Golferarm“. Beruf und Sport aller Leistungsstufen sind ursächlich. Beschwerdedauer, Händigkeit berufliche Exposition, Überbelastung und Traumata sind hinweisend. Bei der klinischen Untersuchung sind Palpation, Provokationstests, Bewegungsausmaß und Stabilitätsprüfung wichtig. Zur Diagnostik gehören Sonografie, Röntgen und ggf. MRT. Zervikobrachialsyndrom, Entzündungsprozesse, Tumoren und Nervenkompressionen müssen ausgeschlossen werden. Therapeutisch stehen u.a. Physiotherapie, Epikondylitisspange, ESWT, Infiltrationen, Röntgenreizbestrahlung zur Verfügung. Eine Operation nach frühestens 6-9 Monaten indiziert. Prognostisch limitieren sich die Verläufe nach 1-2 Jahren selbst. Zum „Skidaumen“ sprach Dr. Carsten Dorow, Handchirurg aus Kahla. Der Verletzungsmechanismus ist die forcierte palmare Abduktion des Daumens, die zur ulnaren Seitenbandläsion führt. 1,2% der Skiverletzungen betreffen den Daumen, aber bei vielen anderen Sportarten, die mit einer gewissen Sturzhäufigkeit verbunden sind, kommt diese Verletzung vor. Die Diagnose wird durch die klinische Untersuchung, Röntgen, Sonografie und auch MRT gestellt. Hauptsymptom ist die ulnare Aufklappbarkeit. Ein Seitenvergleich ist unabdingbar. 40-60 % der konservativ behandelten Bandrupturen werden nicht stabil! Entscheidungskriterien zur OP sind u.a. das Ausmaß der Aufklappbarkeit, tastbares ulnares Knötchen, fehlender Bandanschlag, palmare Translation der Grundphalanx, ein rotiertes knöchernes Basisfragment und die „Stener-Läsion“. Bei der akuten Verletzung ist unabhängig von der Art der Therapie eine Retention von 4-6 Wochen erforderlich. Das Band ist nach 10-12 Wochen stabil. Das Vorgehen bei Narbenkorrekturen erläuterte. Beatrice Schell aus der Hautklinik des SRH Waldklinikum. Störungen der Narbenbildung führen zu hypertrophen Narben oder Keloiden. Hypertrophe Narben sind häufig, beschränken sich auf den Verletzungsbereich und treten in den ersten 6 Monaten auf. Der Reifungsprozess kann bis zu 2 Jahren dauern. Sie bilden sich oft spontan zurück. Keloide überschreiten den Rand der ursprünglichen Wunde, kommen selten vor und treten nach 6 Monaten auf. Die Rezidivquote nach Exzision eines Keloids beträgt nahezu 100%. Therapeutisch stehen u.a. Kryotherapie, Glukokortikosteroide, Druckbehandlung, Silikon, Strahlentherapie, Zwiebelextrakt und Operation zu Verfügung. Kombinationen sind bei der operativen Behandlung unerlässlich. Die beste Therapie ist die Prophylaxe: gewebsschonende Nahttechniken, Inzision in Hautspaltlinien, atraumatische Wundrandbehandlung, Minimierung der Zugspannung durch Unterminierung, mehrschichtige Naht und sorgfältige Wundpflege. Dr. Thomas Melchert, Chirurgische Gemeinschaftspraxis Gera, sprach über Therapieoptionen beim Leistenschmerz. Die muskulo-skeletale Anatomie des vorderen Beckens ist sehr kompliziert. Differenziert werden muss nach Geschlecht, Sportlichkeit, Voroperationen und Alter. Hüftgelenk, Symphyse, Muskulatur, Wirbelsäule, Abdomen können zum Leistenschmerz beitragen. Anamnese, klinische Untersuchung, Labor sind notwendig. Adduktorenansatztendinose, Hüftgelenkspathologien, Osteitis pubis, Hernien und „Sportlerleiste“ müssen eruiert werden. Es resultiert eine multidisziplinäre Abklärung. Die konservative Therapie besteht in Behandlung der Grunderkrankung oder Korrektur einer auslösenden Lebensführung inflammatorischer Medikation, Injektionen und Physiotherapie. Die operative Therapie sollte Zentren vorbehalten bleiben. „Otto Normalverbraucher“ kann keinesfalls mit Leistungssportlern verglichen werden. Der Leistenschmerz ist ein komplexes Krankheitsbild, bei dem die konservative Therapie ausgereizt werden muss und die operative Therapie nur sehr zurückhaltend in Anspruch zu nehmen ist. Dr. Andreas Schubert, ebenfalls Chirurgische Gemeinschaftspraxis Gera, stellte die therapeutische Problematik der vorderen Kreuzbandruptur dar. Die Erwartung des Patienten besteht darin, keine Schmerzen mehr zu haben, wieder Fußball spielen, Ski fahren oder weiter arbeiten zu können. Die ärztlichen Ziele sind Schmerzfreiheit zu erzeugen, Beweglichkeit und Stabilität wieder herzustellen und eine Arthrose zu verhindern. Indikationen zum konservativen Vorgehen sind Partial- oder isolierte Komplettrupturen ohne subjektive Instabilität und ohne Begleitsymptomatik sowie unrealistische Erwartungshaltung bei arthrotischen Veränderungen. Sie besteht in Behandlung der Akutsymptomatik (PECH), Senkung des Aktivitätslevels, Propriozeptionstraining und Schienenbehandlung. Die Ziele der operativen Therapie sind Stabilität, Schutz der Menisken und vielleicht Verhinderung von Knorpelschäden. Indikationen zur OP sind subjektive Instabilität, junges Alter, Hochleistungssport, Stabilität für den Beruf, Meniskusverletzung und ein chronischer Erguss. Die Therapie der vorderen Kreuzbandruptur ist immer eine individuelle! Dr. Jörg Hackenberger, SRH Waldklinikum Gera, beleuchtete die Therapieoptionen bei der Patellaluxation. Die traumatische Form stellt 2-3% aller Knieverletzungen dar, betrifft vorwiegend Jugendliche und junge Erwachsene. 55-72% der Erstluxationen geschehen beim Sport. Prädispositionen sind z. B. Laxität der Gelenke, Valgusstellung, Trochleadysplasie und positive Familienanamnese. Klinische Untersuchung, Röntgen, CT, MRT gehören zur Diagnostik. Akuttherapeutisch wird sofort schonend reponiert und gekühlt. Für eine OP sprechen chondrale und osteochondrale Frakturen, nicht reponible Luxationen, Befunde mit ausgedehnten medialen Weichteilschäden. Gegen eine OP spricht eine hohe Reluxationstendenz bei Kindern und Jugendlichen trotz OP. Gravierende Komplikationen treten nur nach OP auf, die Rate an patellofemoralen Arthrosen ist höher. Eine konservative Therapie mit strukturierter Physiotherapie führt zur vollständigen Wiederherstellung des Aktivitätsniveaus. Über die Verletzungen von Sprunggelenkbändern referierte Dr. Andreas Wagner, Orthopädische Klinik in Eisenberg. Die Sofortbehandlung erfolgt nach dem RICE-Schema (Rest, Ice, Compression und Elevation). Die Therapie der Außenbandruptur (Supinationsverletzung) wird stadienabhängig konservativ u. a. mit Orthesen, bei höhergradigen auch kurzzeitig im Gips durchgeführt. Eine umstrittene OP-Indikation besteht bei Mehrbandverletzungen beim Sportler. Die Innenbandverletzung ist oft eine Kombinationsverletzung mit Frakturen, intraartikulärer Verletzung und Syndesmosenruptur. Die Syndesmosenruptur ist eine Supinations- oder Eversionsverletzung verbunden mit Frakturen und Deltabandrupturen. Operativ stehen Naht, Stellschraube, Periostlappen- und Sehnenplastik zur Verfügung. Fazit: Bandverletzungen sind häufig, die Behandlung ist oft konservativ möglich, dann aber konsequent notwendig. Die Nachmittagssitzung widmete sich der medizinischen Versorgung in Nepal nach der Naturkatastrophe. Dr. Pushpa Joshi, seit 4 Jahren in Deutschland, arbeitet als Wissenschaftler im Muskellabor der Universität Halle. Er gab zur Einführung sehr anschaulich einen Einblick in die Geschichte, Geografie, Politik und in die aktuelle Situation seines Heimatlandes. Dr. Arne Drews, Lungenarzt aus Grimma, sprach zur Gesundheitsversorgung in Nepal vor und nach dem Beben, Er ist Vorsitzender des Vereins Nepalmed e.V. Er engagiert sich sehr intensiv seit vielen Jahren in Nepal insbesondere für das Mountain Hospital Amppipal in der Provinz Gorkha. Es gibt keine Krankenversicherung. Behandlungen sind oft unbezahlbar. Die Versorgung mit Medikamenten und deren Finanzierung ist ungesichert. Die Erdbeben (insgesamt waren es ca. 350) haben die an sich schon schlechte Situation in den betroffenen Gebieten erheblich verschärft. Prof. Dr. Heiner Winker, Erfurt, gab Einblicke in die aktuelle Situation in Nepal aus Sicht eines Chirurgen, Er unterstützt das Dhulikhel Hospital, Lehrkrankenhaus der Universität Kathmandu, 25km von Kathmandu entfernt. Er war seit 2014 zu 5 Einsätzen in Nepal und lehrt als Gastprofessor am Departement Orthopedics und Traumatology. Beide Ärzte berichteten übereinstimmend über katastrophale organisatorische Verhältnisse vor Ort wie falsche und fehlende Informationen, Ignoranz der Verantwortlichen, fehlende Kooperation, mangelnde Ausstattung, schwaches Kartenmaterial etc. Hilfsgüter stünden oft wochenlang beim Zoll. Große Hilfsorganisationen seien oft zu schwerfällig um vor Ort schnell zu reagieren. Lufthansakapitän Kai-Jörg Sommer, aus Bad Camberg, referierte über logistische Herausforderungen während des Nepal-Einsatzes über ähnliche Probleme der Transportlogistik. Der Einsatz von Fluggerät ist teilweise problematisch. Es gibt keinen Bergrettungsdienst wie z.B. in den Alpen. Das ist Sache des Militärs. Um bürokratische Hemmnisse auf beiden Seiten zu umgehen, sei es am besten, Hilfsgüter entweder selbst zu transportieren oder einem Logistikunternehmen (DHL, UPS etc.) zu übergeben. Dr.-Ing. Wernfried Schier von der Universität Kassel demonstrierte am Objekt das „Portable Aqua Unit for Lifesaving“ kurz auch PAUL genannt. Der 21kg schwere tragbare „Wasserrucksack“ mit seinem besonderen Filtersystem kann für 400 Menschen Wasser (1200kg) pro Tag aufbereiten und eignet sich zur Katastrophenhilfe sowie zur dezentralen Wasserversorgung. Ein PAUL kostet 1000 Euro und wird in der Kasseler Werkstatt der Sozialgruppe Kassel e.V. hergestellt und erfüllt damit einen weiteren sozialen Zweck. Alle Referenten forderten auf, nach Nepal zu reisen, sei es als Tourist oder Helfer, die Menschen dort brauchen uns jetzt mehr denn je. Für den Veranstalter war es besonders erfreulich, dass das Symposium auch eine Kontaktbörse der Nepalhelfer war. Durch die Tagungsgebühr und den Verzicht aller Referenten auf ein Honorar konnten ca. 1500 Euro für die Nepalhilfe erlöst werden.
zurück zurück |
||||
|